Der Versuch eine Linie um meine Gedanken zu ziehen
Was lässt mich Zeichnen, Drucken, Malen? Was leitet mich im künstlerischen Prozess?
In sechs Begriffen habe ich versucht darzulegen, was mein künstlerisches Lernen und Arbeiten prägt.
Trotz Ausführlichkeit, kann dies nur eine Vereinfachung sein, denn die Summe ist mehr als seine Teile.
Linie
„Zeichnen ist die Kunst Striche spazieren zu führen.“ (Paul Klee)
Beim Zeichnen folgt mein Denken der Linie oder die Linie meinem Denken. Ein Wechselspiel. Meine Augen setzen sich in Bewegung und tasten das zu Zeichnende ab. Es entsteht eine Ahnung davon, welcher Dialog sich zwischen mir und dem Objekt abspielt. Nicht jede sichtbare Linie scheint es Wert ihren Weg auf das Blatt zu finden. Vielmehr folgt sie dem was Unsichtbar ist.
Bewegung
Die Linie ist die Spur des sich bewegenden Punktes. Sie ist aus der Bewegung entstanden und führt vom Statischen hin zum Dynamischen. Wie ein Spaziergänger, der durch den Park schweift, oder wie ein Hund ohne Leine, auf diese beiden Bewegungsarten kann sich die Linie entwickeln, meinte Paul Klee. Genauso wie das Auge ein Kunstwerk für sich erschließt, es durch die Bewegung der Augenmuskeln immer wieder neu entstehen lässt. Die Linie führt den Betrachter durchs Bild.
Als KünstlerIn macht man sich auf den Weg, setzt sich in Bewegung, um neue Erkenntnis zu erlangen. Bewegung und Gegenbewegung leiten den Erkenntnisprozess und Spannung und Intensität entstehen.
Wirklichkeit
Kunst ist eine Art Wirklichkeit zu erschaffen. Denn Kunst gibt, nach Klee, nicht das Sichtbare wieder, sie macht vielmehr sichtbar.
Die Künstlerin macht sichtbar, was gerade in diesem Moment ihrer Wirklichkeit entspricht, was gerade im Dialog mit dem zu Zeichnenden entsteht. Die Arbeit mit der eigenen Subjektivität gibt die Richtung vor.
„Wenn es nur eine einzige Wahrheit gäbe, könnte man nicht 100 Bilder über dasselbe Thema malen.“ (Picasso)
Wirklichkeit ist nichts Statisches. Wenn es einem möglich wird, verschiedene Perspektiven einzunehmen, Denk- und Sehgewohnheiten kritisch zu hinterfragen und sich das Eigene wieder Fremd zu machen, dann ist es möglich in wirklich kreatives Tun abzutauchen.
Es kann nicht um „… das Neuanordnen von etwas schon Bestehendem …“ sein, wie Dürr schreibt. „Es bedeutet zugleich Wagnis und das Erspüren der eigenen Lebendigkeit.“
Spannung
Mich beschäftigt das Spannungsverhältnis zwischen Sein und Sollen, hart und weich, stark und schwach, intuitiv und rational, gefühlsbetont und verstandesmäßig, zerbrechlich und robust. Die Kunst gibt mir die Möglichkeit diese Ambivalenzen wiederzugeben, wo Sprache für mich zu klar und hart und gleichzeitig zu unpräzise ist. Es gibt nicht nur die EINE Wirklichkeit, es gibt nicht nur ein Entweder-Oder. Es gibt Vielfalt, Mehrdeutigkeit und ein Sowohl-als-auch. Die Dinge sind nicht beliebig und isoliert, sondern in ein Beziehungsgeflecht eingebettet (vgl. Klee Schöpferische Konfession).
Resonanz
Zeichnen ist ein Weg des Erforschens und Erkennens, ein Weg meiner Wahrheit näher zu kommen und meiner Wirklichkeit Ausdruck zu verleihen. Doch dem geht ein anderer Moment voraus: Der Moment des berührt und bewegt werdens. Etwas, erregt mein Interesse, „spricht“ zu mir. Fordert eine Antwort. Dieses Antwortgeben erfolgt auf dem Papier. Es verlangt nach einem wechselseitigen Prozess. Gelingt der Dialog kann Neues und Lebendiges entstehen.
Kunst ist in diesem Sinne ein unkontrollierbarer Balanceakt. Sich auf ihn einzulassen ist spannend und reizvoll.
Frau-Sein
Wenn ich das Frau-sein als prägend für mein künstlerischen Arbeiten anführe, geht es mir um meinen ganz persönlichen Blick auf die Welt und ihre Dinge. Es geht um die Arbeit mit meiner Subjektivität. Und da ich eine Frau bin, ist meine Sichtweise geprägt von meinem Frau-sein in dieser Gesellschaft. Klarerweise liegen dem, aufgrund meiner Vorbildung, auch feministische Betrachtungen, als auch ganz persönliche Erfahrungen zugrunde. Meine Rollen und meine Prägung als Frau zu hinterfragen, immer wieder neue Standpunkte einnehmen zu können, um zwischendurch Position zu beziehen, sind meine Anliegen.
Mich als Frau in dieser Welt zu positionieren ruft ambivalente Gefühle hervor. Sie sind es, die ein Spannungsverhältnis erzeugen. Zwischen den Polen stark – schwach, hart – weich, sein – sollen, intuitiv – rational, gefühlsbetont – verstandesmäßig usw. kann man sich bewegen. Intensität wird erlebbar. Dies alles fließt natürlich mehr oder weniger bewusst in meine Arbeit auf dem Papier mit ein.
Meine Absicht ist es jedoch nicht, dass der oder die BetrachterIn das genauso sehen soll/muss. Vielmehr kann das Betrachten eines Bildes dazu anregen über das Eigene nachzudenken.